Wald-Expedition: Europas Wälder In Größter Not - Thomas Waitz
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Wald-Expedition: Europas Wälder in größter Not

Lokalaugenscheine in Spanien und am Baltikum zeigen: Europas Wälder sind durch Waldbrände, Kahlschläge und die Klimakrise bedroht. Die EU-Waldstrategie soll für eine bessere Bewirtschaftung der europäischen Wälder sorgen.

Wälder sind unsere größten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise. Gesunde Wälder helfen dabei, CO2 aus der Atmosphäre zu absorbieren und den Wasserkreislauf zu regulieren. Sie schützen außerdem vor Bodenerosion und sind Lebensraum einer riesigen Zahl an Pflanzen, Tieren und Insekten. Der Schutz der Wälder ist darum zentral für das Erreichen unserer Klimaziele. Als Schattenberichterstatter für die EU-Waldstrategie habe ich mir zum Ziel gesetzt, den Schutz der Wälder in Europa zu verbessern. Denn da gibt es noch einiges zu tun.

Lokalaugenschein im Wald von Österreich, Spanien, Estland, Polen und Slowakei

Wie schon in den letzten Jahren war ich auch dieses Jahr in ganz Europa unterwegs, um mir den Zustand der europäischen Wälder vor Ort anzusehen. Was ich zu sehen bekommen habe, war ernüchternd.

Monokulturen

Viele Wälder in Europa werden als Monokulturen bewirtschaftet. Das erleichtert das Arbeiten mit schwerem Gerät in diesen Wäldern. Wenn alle Bäume auf einer großen Fläche von der gleichen Art und gleich alt sind und dazu schön ordentlich in Reih und Glied stehen, sind großflächige Kahlschläge mit riesigen Erntemaschinen sehr einfach durchführbar. Diese Art der Bewirtschaftung führt aber dazu, dass der Wald seine Klima- und Artenschutzfunktion verliert. Denn Monokulturen, die noch dazu regelmäßig kahlgeschlagen werden, bieten weder Insekten noch anderen Tieren oder Pflanzen eine gute Heimat. Dadurch geht die Biodiversität in diesen Gebieten verloren. Schwere Erntegeräte verdichten dazu den Boden, was die CO2-Speicherfähigkeit reduziert, das Leben im Boden zerstört und zu Bodenerosion führt. Wasser kann nicht mehr so gut aufgenommen werden und das Gebiet wird anfällig für Murenabgänge, Erdrutsche, Lawinen, Überschwemmungen, aber auch Dürren. In Spanien habe ich riesige Monokulturen von Eukalyptus gesehen. Diese Bäume trocknen den ohnehin schon wasserarmen Boden zusätzlich aus, außerdem sind sie für die meisten anderen Pflanzen giftig.

Waldbrände

In der Provinz Málaga, Andalusien, habe ich einen Nationalpark besucht, der immer mehr durch Waldbrände bedroht ist. 80% der Waldbrände wurden von Menschen ausgelöst, oftmals vermutlich mit Absicht. Aber auch die Klimakrise tut dem Wald nicht gut. Trockenheit ist eine ernste Bedrohung für die Wälder in Europa. Auch hier ist die Diversifizierung der Wälder mit angepassten, heimischen Baumarten die beste Antwort.

Kahlschläge

Im Baskenland, in der Nähe von Bilbao, haben wir einen durchgehenden Kahlschlag von 500ha aufgefunden. Auch in Estland, Polen und Slowenien habe ich massive Kahlschläge gesehen, teilweise sogar in Natura-2000-Gebieten. Diese Kahlschlags- und wiederaufzuforstenden Flächen setzen CO2 frei und zerstören den Lebensraum vieler Tier- und Insektenarten. Kahlschläge sind nicht nur eine klimapolitische Katastrophe, sondern auch langfristig teurer als Naturverjüngung. Eine Neubepflanzung komplett kahlgeschlagener Waldteile ist aufwändig und kostenintensiv durch die notwendige Pflege der Böden und Jungpflanzen. Im Gegensatz dazu erfolgt die Verjüngung in naturnahen Wäldern natürlich: es setzen sich die am besten an den Standort angepassten Bäume durch, der Wald wird widerstandsfähiger und vielfältiger und man muss nicht jahr(zehnt)elang warten, dass eine vollständig gerodete Fläche wieder nachwächst.

Kahlschlag (c) Paul Schwarzl

Holz für Biomasse

Gemeinsam mit Eestimaa Looduse Fond und Päästame Eesti Metsad MTÜ haben wir in Estland aufgedeckt, wie die Pelletsfirma Graanul Invest legal in Natura-2000-Flächen, also in Naturschutzgebieten, Kahlschlag für Biomasse betreiben darf. Ganze Baumstämme werden so komplett zur Pellets-Erzeugung verwendet. Das ist eine riesige Ressourcenverschwendung. Zur Erzeugung von Wärme sollten nur Reste oder Abfälle verwendet werden, die nicht höherwertig nutzbar sind. Außerdem ist es wichtig, den Rohstoff Holz zu schützen und wirklich nur für die regionale Wärmeversorgung im kleineren Stil (z.B. kommunal in ländlichen Gemeinden) zu verwenden.

Das EU-Parlament verhandelt momentan über die EU-Waldstrategie. Als Schattenberichterstatter vertrete ich die Grüne Partei in diesen Verhandlungen und kämpfe für:

  • Strengeren Schutz für besonders sensible Gebiete, wie z.B. Nassgebiete
  • Schutz von Urwäldern, alten Bäumen und Bodengesundheit
  • Verbesserung der Resilienz der Wälder durch gemischte Nutzwälder (Arten und Alter)
  • Verbesserung der Definition „Naturnaher Forstwirtschaft“: Nutzung des Waldes unter ökologischen Bedingungen
  • Aufforstung und Renaturierung von Wäldern
  • Anerkennung der Leistungen naturnah wirtschaftender Forstwirt*innen
  • Ein Verbot der Kahlschlagwirtschaft
  • Vermeiden kurzlebiger Holzprodukte

» Gelingt das nicht, braucht es das Außer-Nutzung-Stellen von Wäldern «

- Thomas Waitz in derstandard.at am 2022-06-08