Getreide Auf Den Teller Statt In Tank Und Trog
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Getreide auf den Teller statt in Tank und Trog

Die Agrarlobby nutzt den russischen Angriff auf die Ukraine, um den Green Deal mit dem Verweis auf „Versorgungssicherheit“ auszuhöhlen und ignoriert dabei, dass die Klimakatastrophe die größte Gefahr für unsere Versorgungssicherheit darstellt. Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament rufen die Europäische Kommission dazu auf, diesem durchsichtigen Lobbying nicht nachzugeben. Wir brauchen jetzt einen Umbau des Europäischen Landwirtschaftssystems weg von riesigen Agrarindustriebtrieben, hin zu kleinstrukturierter, regionaler und nachhaltiger Produktion von Lebensmitteln.

Vermeintliche und echte Gefahren für die Versorgungssicherheit

Schon in den ersten Tagen der russischen Invasion kamen erste Aufrufe der EU-Industrie-Agrarlobby sowie konservativer EU-Abgeordneter, kürzlich beschlossene Ökologisierungsschritte wieder zurückzunehmen. Dazu zählen etwa die „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie (Farm to Fork) und das Renaturierungsgesetz, dessen Präsentation auf Druck von Größen wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski verschoben wurde.

Auch in Österreich wurden ähnliche Forderungen erhoben: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, der Bauernbund und MEP Simone Schmiedtbauer wollen die anstehenden klima- und biodiversitätspolitischen Maßnahmen im Agrarsektor teilweise ersatzlos streichen, Wälder für Biomasse fällen und Stilllegungsflächen für Weizenanbau wieder freigeben.

Der Grund für diese Forderungen sind Einbrüche von Lebensmittellieferungen aus der Ukraine. Doch die Zahlen zeigen, dass sich diese Ausfälle nicht dramatisch auf den europäischen Lebensmittelsektor auswirken werden. Kurzfristig gibt es in der EU keine Versorgungskrise bei Lebensmitteln. Wir sind weiterhin Agrar-Exportweltmeisterin. Die EU produziert über 290 Millionen Tonnen an Getreide, aber nur 20% davon dienen der Ernährung der Menschen in Europa. Der Rest wird als Tierfutter oder zur Produktion von Bio-Treibstoffen verwendet. Alleine 30% der europäischen Lebensmittel landen außerdem in der Mülltonne!

Doch die Sorge um die Versorgungssicherheit ist nicht unbegründet. Ohne Agrarwende laufen wir langfristig in eine echte Versorgungskrise: Der IPCC-Bericht zeigt, dass bis 2100 ein Drittel der weltweiten Nutzfläche nicht mehr für die Landwirtschaft und damit für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stehen wird. Die von der Agrarindustrie und den Konservativen immer weiter betriebene Intensivierung der Landwirtschaft beschleunigt den Verlust von gesundem Boden, Biodiversität und Naturflächen wie Wald und Mooren.

Politische Kurzsichtigkeit

Eine kurzsichtige Rücknahme von Ökologisierungsschritten hilft also nicht dabei, die Versorgungssicherheit in Europa sicherzustellen. Im Gegenteil: Wir brauchen Brachflächen als wichtige ökologische Lebensräume, um die Belastung der Böden und Wasserkreisläufe durch Pestizide zu reduzieren. Genauso können nur diverse, gesunde Wälder genug CO2 binden und Wasser speichern. Die Forderungen der Agrarindustrielobby und Konservativen sind nicht zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger oder der klein- und mittelständischen Landwirtschaftsbetriebe. Für kurzfristige Gewinne von Agrarindustrie und Großgrundbesitzern wird die langfristige Versorgungssicherheit der europäischen Bevölkerung aufs Spiel gesetzt.

Nur eine agrarökologische und biologische, vielfältige und kleinteilige Landwirtschaft kann uns sicher und verlässlich ernähren. Als Grüne fordern wir daher, dass ein schneller Ausbau und Umstieg auf agrarökologische Methoden wie z.B. Gründünger und die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten sowie regionaler Lebensmittelproduktion durch kleine und mittelständische Landwirtschaftsbetriebe endlich in den Fokus gestellt werden. Die Agrarwende ist der notwendige Weg in die langfristige Versorgungssicherheit. Aufgrund der Inflation und der steigenden Energiepreise stehen Europas Kleinbauern und -bäuerinnen noch mehr unter wirtschaftlichem Druck. Diese gilt es in der Krise nun umso mehr bei ihrem Wandel zur ökologischen Landwirtschaft zu unterstützen, die Abhängigkeit von Gas und Öl zu beenden und dem Höfesterben in Europa endlich Einhalt zu gebieten.

Grüne Forderungen im Detail

  • Getreide und Ölsaaten nicht mehr in Bio-Treibstoff verwandeln.
  • Erhöhung der EU-Beiträge zum Welternährungsprogramm und mehr Lebensmittellieferungen an Krisengebiete.
  • Förderung von Humusaufbau durch Gründünger und Leguminosen, um die Abhängigkeit von Kunstdünger zu reduzieren und langfristige Umstellung auf nachhaltige Anbaumethoden wie Fruchtfolgen und Biolandwirtschaft sowie Beratung und Begleitung für Klein- und Mittelbetriebe beim Öko-Umstieg.
  • Tierbestand an Flächen binden: Subventionen nur noch für tierhaltende Betriebe, die mindestens 75% ihrer eigenen Futtergrundlage produzieren – Förderung von Weidehaltung und Grünland!
  • Förderung von regionaler Kreislaufwirtschaft und regionalen Wertschöpfungsketten bei Lebensmittelproduktion und Vermarktung.
  • Faire, mindestens existenzsichernde Löhne für kleine und mittelgroße Höfe und Erntehelfer*innen.
  • Konsum von tierischen Eiweiß-Produkten senken: Änderung des Ernährungsverhaltens, einschließlich Ernährungserziehung, steuerpolitischer Maßnahmen, nachhaltiger Beschaffung und Maßnahmen im Lebensmittelbereich.
  • Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung: Haltbarkeitsdaten überarbeiten, kürzere Transportwege, saisonale Ernährung, Verpackungsmaterialien, Vermarktungsnormen.