Die Bäuer*innen sind wütend und das zu Recht. Seit Jahrzehnten wird zugeschaut, wie ein Hof nach dem anderen schließt. Zwischen 2003 und 2016 mussten fünf Millionen Bäuerinnen und Bauern in Europa ihre Höfe zu sperren. Rechte Demagogen nutzen diese Wut und erzeugen Stimmung gegen Umwelt-, Tier- und Naturschutz. Dabei sind es gerade die rechten und konservativen Parteien, die mit ihrer verfehlten Politik die Bäuer*innen in diese Lage gebracht haben. Die Lösungen liegen seit Jahren auf dem Tisch: Faire Preise für Lebensmittel, eine grundlegende Reform der EU-Subventionen sowie Unterstützung bei der Umstellung hin zu umwelt- und tierfreundlicher Landwirtschaft statt Geld in Großindustrie und Massentierhaltung sind Wege aus der Krise.
Faire Preise für Lebensmittel
Aber warum können gerade kleine Betriebe von der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht mehr leben? Der Grund dafür liegt an der Exportorientierung der Europäischen Landwirtschaftspolitik. Deren Ziel ist nämlich, Lebensmittelpreise künstlich niedrig zu halten, um am Weltmarkt teilhaben zu können. Damit das funktioniert, werden Landwirt*innen nur mit Subventionen über Wasser gehalten, anstatt ihre Produkte zu fairen Preisen verkaufen und damit selbst für ihren Unterhalt sorgen zu können.
Letztes Jahr feierte die EU das 60-jährige Bestehen der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik, auch GAP genannt. Das Herzstück dieser GAP und der mit Abstand größte Finanztopf sind die sogenannten “Flächenförderungen”, also ein gewisser Geldbetrag pro Hektar Land. Diese Art der Förderung bevorzugt große Betriebe, meist Agrarindustrie und Massentierhaltung, deren Geschäftsmodell auf Ausbeutung von Arbeiter*innen, Tieren und der Natur basiert und die ihre Produkte zu Dumpingpreisen exportieren. Kleine und mittlere Höfe werden nicht stark genug unterstützt. Das zeigt sich auch an den Zahlen der Hofschließungen. Täglich geben in Europa fast 1000 Höfe auf, während die Anzahl der Großbetriebe seit 2003 um sieben Prozent gestiegen ist. Es ist an der Zeit für eine echte GAP-Reform: Weg von der unbegrenzten Flächenförderung hin zu einer Förderung der ersten 60-100 Hektar und finanzielle Unterstützung für Bäuer*innen, die in umweltfreundliche Anbau- und Arbeitsweisen investieren.
Besonders die Europäische Volkspartei, zu der auch die ÖVP gehört, tut aber alles in ihrer Macht Stehende, um diesen Trend hin zur Intensivierung der Landwirtschaft weiter zu verstärken, etwa durch den Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens. Hier geht es um Exportmärkte für die Europäische Industrie auf dem Rücken der Landwirtschaft. Während sich europäische Bäuer*innen an strenge Umwelt-, Sozial- und Tierwohlstandards halten müssen, importieren wir billige Lebensmittel aus Ländern, in denen diese Standards nicht gelten.
Angesichts dieses unfairen Wettbewerbs ist es also kein Wunder, dass Bauern und Bäuerinnen sich nun gegen diese hohen Standards, die in der Produktion Mehrkosten bedeuten, auflehnen. Verstärkt wird das Ganze von eben jenen rechten und konservativen Demagogen, die durch ihre verfehlte Agrar- und Handelspolitik gerade erst zu diesen Problemen geführt haben und jetzt so tun, als hätten sie nichts damit zu tun.
Umdenken in der Lebensmittelproduktion
So verständlich die ablehnende Haltung der Bäuer*innen gegenüber der Kostenexplosion in der Landwirtschaft ist, so muss doch eines klar sein: Maßnahmen zum Umweltschutz und Erhalt der Biodiversität sind auch für sie essenziell, denn ohne gesunde Natur ist keine Landwirtschaft möglich. Landwirtschaftliche Erzeugung und Umweltschutz müssen Hand in Hand gehen. Wir brauchen gesunde Böden und Insekten als Bestäuber für Pflanzen. Weiter wie bisher geht nicht: Jährlich verlieren wir weltweit über 28 Milliarden Tonnen an fruchtbarem Boden und 20.000 bis 50.000 Tier- und Pflanzenarten.
Wir müssen also dringend weg von klimaschädlicher intensiver Landwirtschaft mit Massentierhaltung, Monokulturen, Pestiziden und Billigproduktion hin zu extensiver Landwirtschaft in Klein- und Familienbetrieben. Dazu braucht es ein Ende des Preisdrucks in der Lebensmittelproduktion, der von den Handelsketten ausgeht, beispielsweise durch ein Verbot, unter den Produktionskosten zu kaufen. Gleichzeitig müssen alternative und regionale Vermarktungsmethoden wie Gemüsekisten, Food coops oder Ab-Hof Verkauf erleichtert und unterstützt werden.
Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass in der öffentlichen Beschaffung Qualität vor Preis geht. Durch kostenloses und qualitativ hochwertiges Essen aus regionaler Produktion in allen Schulen und Kindergärten können faire Preise für Erzeuger*innen genauso garantiert werden, wie gesunde Ernährung für alle Kinder, unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Die Zukunft der Landwirtschaft geht uns alle was an. Unsere Bäuer*innen versorgen uns täglich mit hochwertigen Lebensmitteln und leisten dabei auch einen unersetzlichen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz. Es wird höchste Zeit, dass wir sie dabei unterstützen. Wir müssen weg von unfairen Handelspraktiken und Subventionen für die Agrar-Industrie hin zu kleinen, vielfältigen Familienbetrieben zum Wohl der Umwelt, der Tiere, unserer Ernährung und unserer Bäuerinnen und Bauern.