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Kampf gegen das Tierleid: Die EU Tierschutzgesetzgebung und ihre Gegner

Die Grünen im Europäischen Parlament fordern, zusammen mit den europäischen Bürger*innen, schon seit Jahren strengere Gesetze zum Schutz von Tieren auf EU-Ebene. Die Europäische Volkspartei, allen voran die ÖVP, arbeitet allerdings gegen den Tierschutz und möchte die Einführung höherer Standards verhindern. Eine von der Europäischen Kommission angekündigte Überarbeitung der europäischen Tierschutzgesetzgebung  wurde am Ende des letzten Mandates nur zum Teil vorgenommen. Momentan laufen die Verhandlungen in den Institutionen zu den Gesetzen zum Tiertransport und über Hunden und Katzen in der Zucht. Ob und wann weitere geplante Gesetze zum Tierschutz veröffentlicht werden ist aus heutiger Sicht unklar.

Warum brauchen wir strengere Gesetze im Tierschutz?

  1. Für die Tiere

Tiere sind fühlende Lebewesen, was auch in den EU-Verträgen anerkannt wird. Wir wissen, dass Tiere Schmerz und Angst empfinden und ein Mindestmaß an Schutz brauchen. In vielen Bereichen der Tierhaltung gibt es bisher noch keine einheitlichen EU-Mindeststandards, was zu teils katastrophalen Bedingungen für Tiere in der EU führt. Sei es im Stall, auf der Straße, am Schlachthof oder in Zuchteinrichtungen: Tierleid ist in Europa traurige Realität.

  1. Für die Bürger*innen

Tierschutz ist ein wichtiges Thema für europäische Bürger*innen. Von den 10 Europäischen Bürger*innen-Initiativen, die es geschafft haben, über eine Million Unterschriften für ihr Anliegen zu erreichen, behandeln fünf Tierschutzfragen. Von der Initiative „Cruelty free cosmetics“, die sich gegen unnötige Tierversuche einsetzt, über „fur free Europe“, das für ein Ende von Pelztierfarmen in Europa kämpft, bis hin zur berühmten Initiative „End the cage age“, das mit 1.4 Millionen Unterschriften zu einer der erfolgreichsten Bürger*inneninitiativen aller Zeiten zählt und sich für ein Ende der Käfighaltung in ganz Europa einsetzt – alle zeigen, dass sich Europäer*innen für den Tierschutz begeistern lassen.

Eine Eurobarometer Umfrage aus 2023 zeigt: 84% der Europäischen Bürger*innen finden, dass die Haltungsbedingungen von Nutztieren in ihren jeweiligen Herkunftsländern besser sein sollten, als sie es derzeit sind und 83% wollen kürzer Transportzeiten beim Transport von lebenden Tieren.

  1. Für die Wirtschaft

Manche Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, haben bereits strenge Gesetze zum Schutz von Tieren. Landwirt*innen, Züchter*innen und Transporteur*innen in Österreich halten schon jetzt höhere Tierwohlstandards ein, als Konkurrent*innen aus anderen EU-Staaten, was zu Wettbewerbsnachteilen für die heimische Wirtschaft führt. Europäische Mindeststandards wären also eine Unterstützung für die heimische Wirtschaft und Landwirtschaft, im speziellen für unsere österreichische kleinteilige Landwirtschaft, die diese Standards ohnehin schon umsetzt.

  1. Für‘s Klima

Tierschutz ist Klimaschutz. Intensive Tierhaltung ist eine enorme Belastung für unsere Umwelt. Anders als bei bodengebundener regionaler Viehhaltung, wo Tiere auf der Weide gehalten und das Fleisch dann regional verkauft wird, braucht die intensive globalisierte Massentierhaltung eine enorme Menge an Ressourcen. Vom Import von Futtermitteln für die Mast – oft Soja aus Brasilien und Argentinien, für dessen Anbau riesige Plantagen errichtet und Urwälder gefällt werden – über den Transport von Lebendtieren oder Fleisch um den halben Globus bis zur Verunreinigung des Grundwassers durch Gülle, diese Art der Tierhaltung verpestet unseren Planeten und damit auch die Grundlage für unsere Landwirtschaft. Regionale Tierzucht mit hohen Tierschutzstandards ist gut für Menschen, Tiere und unseren Planeten.

Gebrochene Reformversprechen

Zu Beginn der letzten Legislatur 2020 hat die damals neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Zuge des neuen Green Deal die Strategie „Vom Hof zum Tisch“ vorgestellt. Darin wurde angekündigt, dass die Kommission die europäischen Tierschutzvorschriften überarbeiten wird, um sie an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen. Bis 2023 sollten folgende Gesetze überarbeitet oder neu geschaffen werden:

  • Neue  Standards für die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere
  • Überarbeitung der Tiertransportverordnung
  • Überarbeitung der Verordnung über den Schutz von Tieren bei der Schlachtung 
  • Vorschlag für neue Rechtsvorschriften zur Tierschutzkennzeichnung

Bis zum Sommer 2023 versicherte die Kommission, dass die Vorschläge wie geplant in Arbeit seien und noch im selben Jahr publiziert würden. Doch schon im Herbst 2023 mehrten sich Stimmen, dass die Vorschläge doch in letzter Sekunden gestoppt werden könnten. Schließlich veröffentlichte die Kommission im Dezember 2023 als einziges der im Voraus geplanten Vorhaben den Vorschlag zur Überarbeitung der Tiertransportverordnung. Außerdem wurde überraschend noch ein davor nicht angekündigter Vorschlag für eine neue Verordnung zum Wohl von Hunden und Katzen in der Zucht veröffentlicht. Aus kommissionsnahen Kreisen ist zu hören, dass die Entwürfe über die noch fehlenden Tierschutzgesetze 2023 bereits fertig ausgearbeitet waren, aber dennoch zurück gehalten wurden. Es ist davon auszugehen, dass Ursula von der Leyen dem Druck ihrer konservativen Parteikolleg*innen, die schon lange gegen höhere Tierschutz- und Umweltstandards wettern, nachgegeben hat.

ÖVP-Falschbehauptungen gegen Klima- und Tierschutz

Über die letzten Jahren ließ sich in den europäischen konservativen Parteien ein ganz klarer Kurswechsel nach rechts beobachten. Wo Zusammenarbeit zu Beginn des letzten Mandats noch möglich war, stellten sich bis zur EU-Wahl 2024 immer mehr Vertreter*innen der Europäischen Konservativen Partei gegen ihre eigene Kommissionspräsidentin und versuchten, den Green Deal und damit Klima-, Umwelt- und Tierschutz auf allen Ebenen zu verhindern. Dahinter steckten ganz klare Anstrengungen der Industrielobby zum Schaden der europäischen Bürger*innen und Landwirtschaft. Die in diesem Zusammenhang von Industrielobbyist*innen immer wieder vorgebrachten und von konservativen Politiker*innen wiederholten Argumente lassen sich sehr leicht widerlegen:

Schaden für Bäuer*innen

Bäuer*innen wollen, dass es ihren Tieren gut geht. Strengere Tierschutzbestimmungen z.B. im Transport oder zum Zeitpunkt der Schlachtung sind im Interesse jener Bäuerinnen und Bauern, die diese Tiere aufgezogen und von klein auf gepflegt haben. Klar ist, dass Landwirt*innen bei der Umstellung finanziell unterstützt werden müssen. Für die Implementierung von Tierschutzbestimmungen in der Landwirtschaft beispielsweise durch ein Ende von Vollspaltenböden oder Käfighaltung werden Stallumbauten notwendig. Förderungen dafür sind bereits jetzt in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), also den EU-Förderungen für Landwirtschaft, vorgesehen.

Ernährungssicherheit

Die größte Bedrohung für die Ernährungssicherheit ist die Klimakrise und die Tierhaltung spielt dabei eine wichtige Rolle. Besserer Tierschutz ist auch gut für‘s Klima und trägt damit wesentlich zur Ernährungssicherheit bei. Eine Umstellung auf lokale Produktion mit hohen Tierschutzstandards trägt außerdem wesentlich zur Unabhängigkeit von globalen Lieferketten bei.

Gleiche Regeln für unterschiedliche Bedingungen

Sei es im Tiertransport, in der Zucht oder der Tierhaltung. Immer wird argumentiert, man könne ja nicht alle über einen Kamm scheren. Das stimmt und darum gibt es bei allen Gesetzesvorschlägen immer differenzierte und artspezifische Angaben für Tiere sowie Ausnahmeregelungen für topografische Besonderheiten.

Höhere Kosten für Konsument*innen

Der größte Teil der Kosten eines Produktes geht auf Handel, Transport oder Logistik zurück. Der Produktionspreis macht nur einen geringen Teils der Kosten aus, die Konsument*innen für Lebensmittel im Supermarkt zahlen. Eine geringe Erhöhung der Produktionskosten durch höhere Tierwohlstandards wird für die Konsument*innen kaum spürbare Preisanpassungen bedeuten. Klar ist aber, dass Landwirt*innen für die höheren Kosten entschädigt werden müssen.

Wettbewerbsnachteile durch ungleiche Standards

Europas Konservative argumentieren gerne mit Wettbewerbsnachteilen für europäische Produzent*innen, wenn Standards in Europa angehoben werden, während die Konkurrenz außerhalb der EU mit niedrigeren Standards arbeitet. Deshalb verlangen die Grünen auch schon lange sogenannte „mirror clauses“, also Spiegelklauseln, in Handelsabkommen mit Drittstaaten, um sicherzugehen, dass europäische Standards auch beim Import eingehalten werden. Das Drängen der EVP auf Handelsabkommen, die eben diese Standards nicht berücksichtigen, wie etwa das MERCOSUR-Handelsabkommen, hilft der europäischen Landwirtschaft jedenfalls nicht.

Zu viel Bürokratie

Die EVP, allen voran die ÖVP, spricht wiederholt von überbordender EU-Bürokratie, differenziert dabei aber nicht zwischen europäischer und nationaler Gesetzgebung. Der größte Teil von Umwelt- und Klimaschutzvorgaben sind Zielwerte, die von Nationalstaaten umgesetzt werden. Entbürokratisierung wäre hier sehr gut durch effizientere nationale Informationsverarbeitung erreichbar. Situationen, in denen pro Maßnahme ein eigenes Formular ausgefüllt werden muss, sind ganz klar auf nationale Infrastruktur zurückzuführen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Regulierungen zum Schutz von Klima und Umwelt gerade die schwächeren Teile der Gesellschaft schützen. Während große Konzerne die Klimakrise verursachen, müssen Bürger*innen die Kosten für Klimadaptionen zahlen. Das muss sich umdrehen und das geht nur durch starke Gesetze zum Schutz der Bevölkerung.

Kampf für besseren Tierschutz

Nachdem die Kommission also 2023 am Ende des letzten Mandats zwei der geplanten Gesetzesvorschläge veröffentlicht hat, werden diese im Moment im Europäischen Parlament und von den Mitgliedsstaaten verhandelt. Die EVP spielt dabei eine sehr unrühmliche Rolle und versucht seit Monaten, die Verhandlungen zu verschleppen oder, wo das nicht möglich ist, Standards zum Schutz von Tieren zu senken. Es wird ein harter Kampf, die Gesetze zum Schutz von Katzen und Hunden in der Zucht und Tieren beim Transport zu beschließen.

Hunde und Katzen in der Zucht

In dem Vorschlag für eine Verordnung über das Wohlergehen von Hunden und Katzen und deren Rückverfolgbarkeit geht es darum, die bisher komplett unregulierten Zustände in Zuchteinrichtungen innerhalb der Europäischen Union zu verbessern. Die teils katastrophalen Bedingungen unter denen Katzen und Hunde in europäischen Zuchteinrichtungen leben müssen wurde von Tierschutzorganisationen schon vielfach aufgedeckt. PETA Deutschland fasst es in schockierende Worte: „Viele Tiere – beispielsweise im illegalen Handel mit Welpen und Katzen – leiden in Zuchten unter der Haltung in engen Käfigen, mangelnder Bewegung und unzureichender Pflege. Viele Tiere werden im Keller großgezogen, sehen kein Tageslicht und werden medizinisch unzureichend versorgt.“ Um diesem Tierleid entgegenzuwirken, schlägt die EU-Kommission absolut grundlegende Minimalbestimmungen vor, die das Leben dieser Tiere verbessern sollen. Die Bestimmungen sollen für Zuchteinrichtungen ab drei Zuchthündinnen oder Katzen gelten, nicht für private Haushalte. Der Vorschlag sieht unter anderem folgende Vorgaben vor:

  • täglicher Zugang zu Sonnenlicht für Hunde
  • Mindestplatzangaben
  • die artgerechte Verfügungstellung von Futter und Wasser
  • Mindestalter für den Verkauf von Welpen und Kitten
  • Ein Verbot von routinemäßigem kupieren von Schwänzen oder Ohren außer aus medizinischen Gründen
  • Eine behördliche Genehmigung für Züchter*innen und die Inspektion von Einrichtungen
  • Eine Pflicht zum Chippen für alle Hunde und Katzen, um den illegalen Handel zu unterbinden

Der Europäischen Volkspartei, allen voran der ÖVP, gehen aber selbst diese absoluten Mindestanforderungen zu weit. Alexander Bernhuber, ÖVP, hat einen Antrag auf Ablehnung des gesamten Vorschlags durch das Europäische Parlament gestellt. Geht es nach der ÖVP, sollen die Vorschläge der Kommission für Mindeststandards für die Zucht von Hunden und Katzen also abgelehnt werden. Für den Fall, dass der Ablehnungsantrag vom Parlament nicht angenommen wird, hat Alexander Bernhuber noch weitere Änderungsanträge eingebracht, die den Text so weit wie möglich verwässern sollen. Unter anderem:

  • Entzug von Sonnenlicht und Bewegung soll nicht als Tierleid definiert werden
  • Keine gesetzlichen Mindeststandards für Futtermengen oder Platzangebot
  • Kein Verbot von Futter, das Tierleid hervorruft
  • Kein Verbot für die Haltung von Katzen und Hunden in Käfigen
  • Keine Temperaturauflagen

Der AGRI-Ausschuss hat im Mai seinen Standpunkt zu dem Bericht verabschiedet. Nach der Annahme des Gesetzentwurfs im Plenum werden die Abgeordneten nun Verhandlungen mit dem Rat über die endgültige Fassung des Gesetzes aufnehmen.

Tiertransporte

Der Kommissionsvorschlag zur Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport fußt in weiten Teilen auf den Ergebnissen des von den Grünen im Europäischen Parlament initiierten Untersuchungsausschusses zu Tiertransporten (ANIT), im Rahmen dessen Empfehlungen an die Europäische Kommission ausgearbeitet wurden. Der Kommissionsvorschlag enthält eine Reihe von Neuerungen, darunter:

  • 9 Stunden Maximaltransportzeit für Schlachttiere, anstatt bisher je nach Alter und Spezies bis zu 29 Stunden,
  • 5 Woche Mindesttransportalter für Kälber, anstatt bisher 10 Tage,
  • Strengere Zulassungsbestimmungen für Transportschiffe,
  • Platzangaben gemessen an der tatsächlichen Körpergröße der Tiere, anstatt wie bisher je nach Tierart.

Leider gibt es auch große Lücken in dem Vorschlag, so soll der Transport am Schiff weiterhin nicht als Transportzeit gerechnet werden, was bedeutet, dass Tiere weiterhin Wochen und Monate auf Tiertransportschiffen verbringen können. Außerdem soll es auch weiterhin keine Einschränkungen beim Export in Drittstaaten geben. Dennoch ist auch dieser Vorschlag für die Europäischen Volkspartei zu weitreichend, die auch hier einen Ablehnungsantrag stellte.

Der Berichterstatter im Europäischen Parlament, Daniel Buda (EVP), hat lange versucht, die Verhandlungen zu verschleppen. Auf Druck der Grünen gibt es jetzt einen fixen Zeitplan. Bis Dezember muss der Bericht im Plenum abgestimmt werden, sie folgen Verhandlungen auf Ausschussebene, in denen Thomas Waitz als Schattenberichterstatter die grünen Forderungen vertrat.

Ausblick

Nachdem die beiden momentan in Verhandlung befindlichen Vorschläge zu Katzen und Hunden in der Zucht sowie Tiertransporten im Europäischen Parlament abgestimmt wurden, geht es weiter in die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten. Wann die Gesetze dann endgültig fertig sind und was der genaue Inhalt sein wird kann man noch nicht sagen. Ob und in welcher Form die noch fehlenden Gesetzesvorschläge zu Tierhaltung, Schlachtung und Tierwohlkennzeichnung noch publiziert werden, ist derzeit unklar. Tierschutzkommissar Oliver Varhelyi hat in einer Debatte im Europäischen Parlament Anfang 2025 angekündigt, die ausstehenden Vorschläge 2026 zu publizieren. Inhaltlich hat Kommissar Varhelyi bestätigt, dass die Kommission einen Vorschlag machen wird, der auf die Bedenken der Unterzeichner*innen der „End the cage age“ Initiative eingehen wird, ohne dabei aber nähere Details zu nennen. Die Grünen im Europäischen Parlament werden jedenfalls weiter dafür kämpfen, Europa im Tierschutz zum Vorreiter zu machen.