Wälder sind unsere wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Sie sind die einzige Möglichkeit, die wir haben, bereits ausgestoßenes CO2 zu binden und sie helfen uns, mit den immer schlimmer werdenden Folgen der Erderwärmung fertig zu werden, indem sie Schatten spenden, Böden für die Wasseraufnahme lockern und natürliche Barrieren gegen Murenabgänge in Folge von Überschwemmungen bilden. Um die Klimakatastrophe zu verhindern, müssen wir Wäldern wieder mehr Raum geben. Wir tun aber genau das Gegenteil: Wälder sind weltweit durch Abholzung und die Folgen der Klimakrise bedroht, das bekannteste Beispiel sind die Regenwälder in Brasilien, wo ich mir bereits selbst ein Bild von den schrecklichen Folgen der Entwaldung für die Biodiversität aber vor allem auch die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten machen konnte. Aber auch in der EU ist ein Großteil der Wälder in keinem guten Zustand. Sei es die Abholzung rumänischer Primärwälder für fast furniture à la IKEA, riesige Kahlschläge im Baskenland, Trockenlegung von Feuchtwäldern in Kroatien oder schädliche Erntemethoden im Baltikum, die EU Waldwirtschaft ist keine Musterschülerin. Und auch wenn die Waldfläche in Österreich – wie immer betont – nicht zurückgeht, kann dies von der Biodiversität in den Wäldern nicht behauptet werden.
Intransparente Lieferketten
Europa ist dabei nicht nur für die Abholzung der eignen Waldflächen verantwortlich sondern hat auch an der globalen Abholzung einen großen Anteil. Laut WWF gehen 16 Prozent der weltweiten Abholzung der Regenwälder auf das Konto von Importen in die EU. Die Abholzung passiert nicht nur für die Produktion des Rohstoffes Holz, sondern auch für die Schaffung von Rinderweiden, den Anbau von Soja als Tierfutter, aber auch Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee. Diese Produkte werden dann in die EU exportiert, wo es für Europäische Konsument*innen aber unmöglich ist, nachzuvollziehen, ob Produkte, die sie kaufen, zu Entwaldung und damit einhergehenden Problemen beitragen. Hier kommt die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) ins Spiel, die sicherstellen soll, dass Produkte aus Entwaldungsgebieten nicht mehr auf dem Europäischen Markt landen und vom Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten 2023 – übrigens auch mit den Stimmen der ÖVP – beschlossen wurde. Sie gibt vor, dass Produkte aus den Rohstoffen Holz, Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao und Gummi ohne Entwaldung oder Waldschädigung erzeugt werden müssen. Gemäß dem Nichtdiskriminierungsprinzip gilt das sowohl für den Import in die EU, als auch für den Export und den Binnenmarkt. Ähnlich wie beim Gesetz zur Wiederherstellung der Natur verbreiten ÖVP, Bauernbund und die Holzindustrie auch zur EU-Entwaldungsverordnung viele Falschbehauptungen. Aber worum geht’s wirklich?
Gesetz zur Bekämpfung der Entwaldung
Das Gesetz bezieht sich auf alle Entwaldungsaktivitäten im Zusammenhang mit der Produktion eines der oben genannten Rohstoffe, die nach dem 31.12.2020 erfolgten. Alles davor wird nicht in Betracht gezogen. Kleinstwaldbesitzer*innen, die nur für den eigenen Bedarf, z.B. Brennholz, produzieren sind komplett ausgenommen. Produkte aus Niedrigrisikoländern wie Österreich unterliegen einer vereinfachten Sorgfaltspflicht, bei der die Pflicht zur Risikobewertung und zu Maßnahmen der Risikominderung entfallen. KMU und Kleinstunternehmen sind außerdem von der Pflicht entbunden, öffentlich zu berichten. Die Sorgfaltserklärung kann auch an eine*n Bevollmächtigte*n ausgelagert werden, so können u.a. natürliche Personen und Kleinstfirmen an den nächsten Marktteilnehmer, der keine natürliche Person ist, delegieren.
Was müssen Waldbesitzer*innen und Unternehmen tun?
Wer Produkte vermarktet, muss Informationen dazu bereitstellen. Dazu gehören: Beschreibung des Erzeugnisses (bei Holz z.B. die Baumart), Menge, Erzeugerland(esteil), Parzellennummer, Zeitpunkt und -raum der Erzeugung, Name, Anschrift, Mail der Lieferant*innen & derer, die beliefert werden, angemessen schlüssige, überprüfbare Infos, dass Erzeugnisse entwaldungsfrei sind und nationalrechtskonform erzeugt wurden. Entgegen anderslautender Behauptungen muss nicht jeder einzelne Baum angegeben werden, lediglich die Menge und Art, die von einem Grundstück geholt werden. Die Angaben können auch kombiniert werden, wenn verschiedene Arten von einem Grundstück geerntet werden. Sind die Eckdaten wie zum Grundstück einmal eingetragen, müssen jährlich nur noch die Erntemenge und die Baumart angegeben werden. Die Datenlage in Österreich ist bereits sehr gut, womit Möglichkeiten bestehen sollten, die Umsetzung für Bäuerinnen und Bauern möglichst einfach und unbürokratisch zu gestalten. Hier ist das Landwirtschaftsministerium in der Pflicht, bestehende Daten zu nutzen, zusammen mit der Kommission Schnittstellen bereitzustellen und Parallelsysteme und –pflichten zu vermeiden, um dieses wichtige Gesetz möglichst effizient umzusetzen.
Wo liegt das Problem?
Vorgeschobene Argumente wie eine angebliche Bürokratieflut sind also leicht entkräftet. Was also ist wirklich auszusetzen an einer Verordnung gegen naturzerstörerischen Raubbau und für nachvollziehbare Lieferketten und nachhaltige Forstwirtschaft? Große österreichische Holzindustrieunternehmen wie z.B. Schweighofer wurden in der Vergangenheit bereits für ihren bevorzugten Ankauf von Holz aus illegalen Entwaldungen in Rumänien verurteilt und haben mit ihren Geschäftstätigkeiten in Russland und Weißrussland nicht nur aktiv die Entwaldung voran getrieben, sondern damit auch Diktatoren aktiv unterstützt, trotz der EU-Wirtschaftssanktionen an Geld zu kommen. Diese Art von Aktivitäten wären mit der EU-Entwaldungsverordnung so nicht mehr möglich. Die EU-Entwaldungsverordnung bewirkt also das Sichtbarmachen schädlicher Praktiken. Für die kleinstrukturierte, nachhaltige österreichische Waldwirtschaft ist das Kennzeichnen nachhaltiger Herkunft ein ganz klarer Wettbewerbsvorteil. Dass die ÖVP das anders sieht, sagt mehr über sie und ihre Interessen aus, als über das EU-Gesetz.
Unterstützung aus der Industrie
Trotz massiver Negativkampagne von ÖVP und co unterstützen weite Teile der Bevölkerung ein schnelles Inkrafttreten der Entwaldungsverordnung. So haben über 1.1 Millionen Europäer*innen diverse Petitionen für die rasche Umsetzung der EURD unterschrieben und in einer Umfrage in sieben Mitgliedsstaaten hat sich gezeigt, dass 84% der Befragten für die Einführung der EU-Entwaldungsverordnung stimmten. Aber nicht nur Bürger*innen und NGOs sprechen sich für die Verordnung zum Schutz vor globaler Entwaldung aus. Auch weite Teile der Industrie warnen vor einem Aufschub:
In der vergangenen Woche haben die Financial Times und das Wall Street Journal die Bedenken der Unternehmen in Bezug auf die aktuellen Diskussionen über die Verschiebung der EU-Entwaldungsverordnung aufgegriffen. Die Unternehmen erklärten, dass Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit von größter Bedeutung seien und forderten das Europäische Parlament auf, die Einführung der Verordnung nicht zu verzögern, um zu vermeiden, dass erhebliche Investitionen in die Einhaltung der Vorschriften gefährdet werden.1
ÖVP am Holzweg
Trotz dieses massiven Widerstands und gegen den Willen der europäischen Bürger*innen und großer Teile der Industrie hat die Europäische Volkspartei nun entschieden, Christian Lindners Pfad zu folgen und versucht, das Inkrafttreten der Entwaldungsverordnung in letzter Sekunde zu verschieben. Die Kommission hat dem Druck nachgegeben und einen Aufschub von einem Jahr vorgeschlagen. Nun hat die Europäische Volkspartei zusätzlich Abänderungsanträge eingebracht, um den Aufschub auf zwei Jahre zu verlängern, aber nicht nur das. Die Europäische Volkspartei hat für die Plenarabstimmung diese Woche Änderungsanträge eingebracht, die große Teile der Industrie aus der Verordnung ausnehmen und diese damit de facto zahnlos machen würde. Für mich ist klar: Wir haben keine Zeit, den Lobbyist*innen der Holzindustrie blind zu folgen, während die Klimakrise mit Unwettern und Dürren unsere Ernährungssicherheit bedroht und unsere Dörfer weg schwemmt. Die nun geforderten Abschwächungen sind eine de facto Aushöhlung zu Gunsten der österreichischen und europäischen Holzindustrie, die sich aus der Verantwortung stehlen will. Globale Standards setzen bedeutet auch, dass wir uns an unsere eigenen Regeln zu halten haben.
Weiterführende Links
Meine Presseaussendung zu dem Thema
Greens/EFA actionpage
Greens/EFA press release
- Weitere Informationen: Siehe öffentliche Erklärungen von Nestlé, Ferrero, Danone, Michelin, Carrefour, dem Kaffee- und Sojahändler ETG, dem weltweit führenden Hersteller von Laubholzfurnieren Holz Danzer, dem französischen Rinderzüchterverband INTERBEV, der Holzzertifizierungsinitiative FSC, den Mitgliedern der Globalen Plattform für nachhaltigen Naturkautschuk und Albert Heijn. ↩︎