Köstinger Agiert Gegen Bessere Rechte Von Erntehelfer:innen
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Köstinger gegen bessere Arbeitsbedingungen von Erntehelfer:innen

Immer wieder gibt es Berichte von Erntehelfer:innen, die in sklavenartigen Zuständen für einen Hungerlohn auf Feldern in Europa schuften. Bisher gibt es keine Möglichkeit, Betriebe, die die bestehenden Sozial- und Lohngesetze in der EU verletzen, von Zahlungen aus der GAP auszuschließen. Genau das fordert jetzt das Europäische Parlament in den GAP-Trilog-Verhandlungen. Die Portugiesische Ratspräsidentschaft hat einen Entwurf vorgelegt, wie diese Forderung umgesetzt werden könnte. Dagegen stellte sich zuletzt die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Sie hat Allianzen geschmiedet und zusammen mit 15 anderen Staaten einen Gegenvorschlag eingebracht, der auf freiwillige Beratung der Betriebe abzielt. Das würde bedeuten, dass die Sanktionsmöglichkeit, die das Parlament vorschlägt, in dieser GAP nicht verankert werden und die EU damit für weitere mindestens 7 Jahre keinerlei Möglichkeiten hat, Agrarsubventionen für ausbeuterische Betriebe zu streichen.
Bei so einem offen zur Schau gestellten Desinteresse an Arbeitnehmer:innenrechten verwundert es nicht, dass Elisabeth Köstinger schnell in Argumentationsnot gerät. Sie hat darum vor Kurzem ihre Linie geändert und brachte gestern in der Wiener Zeitung neue Argumente vor.

Sehen wir uns das einmal genauer an:

„Das EU-Parlament fordere keine Mindeststandards, sondern die Einhaltung der nationalen Standards und deren Koppelung an die Agrarförderungen.“

Ja. Genau das wird gefordert. Klarerweise sind wir auch der Meinung, dass es europaweite Mindeststandards braucht, aber wir wissen auch, dass sich hier die Nationalstaaten erst recht querstellen würden. Deshalb geht es in einem ersten Schritt einmal darum, keine EU-Subventionen an Betriebe auszuzahlen, die nationales Recht verletzen. Elisabeth Köstinger argumentiert, dass solche Vergehen ja ohnehin schon auf nationaler Ebene bestraft werden können. Das ist richtig. Da wäre es doch besonders unsinnig, an solche Betriebe, und das sind meist große Agrarindustriebetriebe in Europa, dennoch weiterhin EU-Fördergelder zu zahlen.

„Arbeits- und Sozialrechte sind keine EU-Kompetenz.“

Das stimmt so nicht. Es gibt beispielsweise auch EU-Rahmen-Gesetze für Sozialstandards für LKW-Fahrer:innen in der EU. Wieso sollte es das Gleiche nicht auch für Erntehelfer:innen geben können? Selbst die portugiesische Ratspräsidentschaft sieht Möglichkeiten, die Forderung des Parlaments im Rahmen des EU-Rechts umzusetzen.

„Unser Ziel ist die Angleichung von Arbeits- und Sozialstandards auf österreichisches Niveau.“

Die Landwirtschaftsministerin betont, dass die sozial- und arbeitsrechtlichen Standards für Erntehelfer:innen in Österreich bereits wesentlich höher sind, als im Rest der EU und befürchtet eine Wettbewerbsverzerrung. Hier kann ich Frau Köstinger nur recht geben. Zwar gibt es auch in Österreich vereinzelt Betriebe, die ihre landwirtschaftlichen Mitarbeiter:innen ausbeuten, doch wäre eine Anhebung der sozial- und arbeitsrechtlichen Standards in der gesamten EU auf Österreichische Niveaus generell erstrebenswert und würde für die österreichischen Betriebe, die oft nicht mit den Dumpingpreisen aus dem Rest der EU mithalten können, sogar einen Wettbewerbsvorteil bringen. Faire Löhne für Erntehelfer:innen und faire Preise für Landwirt:innen, die klima- umwelt- und menschenfreundlich produzieren, sollten unser Ziel sein. Inwiefern das aber ein Argument gegen die Streichung von GAP Subventionen für problematische Betriebe sein soll, ist mir ein Rätsel.

„Durch diesen Vorschlag werden die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission zur gesamten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik blockiert.“

Ja, die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen für Erntearbeiter:innen ist ein Teil der noch offenen Punkte, die noch einer Einigung bedürfen. Natürlich sind die Verhandlungen erst abgeschlossen, wenn hier, genau wie bei allen anderen offenen Punkte, Lösungen gefunden werden. So funktioniert Politik – wenn in einem Bereich Missstände auftreten, muss so lange verhandelt werden, bis Kompromisse gefunden werden, die zu Lösungen führen. Übrigens wurde genau deshalb 2020 eine Übergangs-GAP beschlossen, die noch bis 2023 gilt und sicherstellen soll, dass genug Zeit für die Verhandlung einer neuen GAP bleibt. Den Spieß hier umzudrehen und das EP als Blockierer darzustellen ist nicht nur unfair, sondern zeugt auch von schlechten Stil.

„Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist gegen diese Koppelung der GAP an Sozialstandards.“

Das ist leider richtig. Dagegen hilft aber nicht, dass Österreich zum Sprachrohr jener Staaten wird, die sich einer Stärkung von Arbeitnehmer:innen-Rechten verweigern und sogar eine Ablehnung im Rat koordiniert. Anstatt den Vorschlag des Parlaments von vorn herein abzulehnen und Verbündete für einen schwachen Gegenvorschlag zu suchen, sollte Frau Köstinger sich an die Spitze der Befürworter:innen stellen und im Rat mit anderen Mitgliedsstaaten Mehrheiten für den Schutz der Erntehelfer:innen suchen. Denn schlechte Sozialstandards und Dumpingpreise für Erntearbeiter:innen führen zu einem Preisdruck, dem österreichische Landwirt:innen nicht nachkommen können.

Elisabeth Köstinger sollte unseren Vorstoß also mit Freude begrüßen, anstatt durch ihre Blockade das Elend vieler Erntehelfer:innen für die nächsten 7 Jahre zu verfestigen.