Bei glühender Mittagshitze trafen der Energiesprecher im österreichischen Nationalrat, Martin Litschauer und ich zum Lokalaugenschein beim AKW Paks in Ungarn ein. Wir besichtigten das Areal an dem, direkt an das bestehende AKW angrenzend, zwei neue Reaktorblöcke errichtet werden sollen. Auslöser für den Besuch war unter anderem der Artikel von Dr. Tamás János Bodoky, erschienen in Hungarian Geophysics Volume 61, in dem klar gestellt wird, dass im Antrag zur Genehmigung von Paks 2 paläoseismischen Erkenntnisse aus dem geologischen Report ignoriert worden sind. Wenig später ist eine österreichische Studie von Decker Kurt, Hintersberger Esther und Hirsch Helmut erschienen, die nachweist, dass der Bau von Paks 2 ungarischem Recht widerspricht.
Wenn Staaten ihre eigenen Gesetze brechen
In der Verordnung 118/2011. (VII. 11.) der ungarischen Regierung heißt es, dass auf einer als aktiv zu bezeichnenden Störung kein AKW errichtet werden darf. Die paläoseismischen Erkenntnisse lassen allerdings nur eine Schlussfolgerung zu: Die sogenannte Dunaszentgyörgy-Harta-Verwerfung muss als aktive Verwerfung (capable fault) klassifiziert werden, was bedeutet, dass sie Spalten größer als einen halben Meter an der Erdoberfläche verursachen könnte. Die Verwerfung verläuft direkt unter dem bestehenden AKW Paks, sowie auch durch die Baustelle von Paks 2.
Anfrage zum Erdbebenrisiko in Bezug auf das AKW Paks II an die EU – Kommission
Gestützt auf die paläoseismischen Erkenntnisse sowie die Studie von Decker et al. habe ich, gemeinsam mit anderen grünen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, eine Anfrage an die EU-Kommission gestellt. Die Anfrage könnt ihr hier finden. Pünktlich einen Tag vor unserem Lokalaugenschein in Paks kam dann auch die Antwort der EU-Kommission, in der sie mit den ungarischen Behörden die Erkenntnisse der neuen Studien erörtert und ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren in Aussicht stellt. Auch erwähnt die Kommission den Artikel 37 des EURATOM Vertrages, was aus derzeitiger Sicht eine eventuelle Papierprüfung zur Folge haben könnte. Dennoch war die Antwort der Kommission enttäuschend. Es scheint, als würde die EU-Kommission erst auf die Freisetzung von radioaktivem Material und die Kontamination von Wasser, Boden oder Luft warten, bevor sie aktiv einschreitet.
Vor Ort in Paks
Mit der Antwort der EU-Kommission im Gepäck hab ich mich, gemeinsam mit dem grünen Anti-AKW Sprecher Martin Litschauer sowie Dr. Kurt Decker vom Institut für Geologie der Universität Wien und Franz Meisters Projektmanager im Umweltbundesamt in Begleitung einiger Journalist:innen auf den Weg nach Paks gemacht. Vor dem AKW Paks haben wir die Lage auch gemeinsam mit Erzsébet Schmuck und Lóránt Keresztes (beide LMP – die Grüne Partei Ungarns) besprochen. Neben dem großen Problem der Erdbebengefahr wurde auch die Regierungspropaganda, dass die Klimaziele ohne Paks 2 nicht realisierbar sind und die völlige Planlosigkeit, was mit den nuklearen Abfällen passieren soll, besprochen. Anschließend wurde von Franz Meister und Kurt Decker anhand einer großen Karte die geologische Beschaffenheit der Region präsentiert.
Im Schatten der russischen Fahne
Das ganze Projekt ist nur möglich, weil Ungarn einen Kredit über 10 Milliarden € aus Russland erhalten hat. Mit diesem Kredit erkauft sich Moskau massiven Einfluss: das Kraftwerk soll u.a. von an die 8.000 russischen Arbeiter:innen errichtet werden, die Brennstäbe werden auf 10 Jahre verpflichtend aus Russland bezogen und sowieso kommt die gesamte Technologie aus Russland, einschließlich der Betriebssoftware des AKWs. Für Ungarn bedeutet dieser Kredit, dass die Summe ab 2027 mit fast 5% Zinsen zurückgezahlt werden muss, egal ob das AKW bis dort hin steht oder nicht.
Zu Besuch bei Gergely Karácsony – Bürgermeister von Budapest
Gergely Karácsony, grüner Bürgermeister von Budapest und Teil des sechs Parteien Bündnisses, dass die Opposition für die nächsten Wahlen in Ungarn geschmiedet hat, um Viktor Orban herauszufordern, hat uns nach dem Lokalaugenschein für einen Meinungsaustausch in das Budapester Rathaus eingeladen. Er konnte mir berichten, dass in der Parteienübereinkunft klar gegen die Realisierung des Projektes Paks 2 Stellung bezogen wurde. Leider ist aber noch nicht klar, wie eine Paks 2 Exit Strategie aussehen kann, weil die gesamten Verträge unter Verschluss sind. Die ausgewogene und besonnene Wortwahl von Gergely Karácsony stimmte mich sehr zuversichtlich, dass es für Ungarn einen Kandidaten gibt, der mit der illiberalen Demokratie von Orban aufräumen könnte.
Die EU-Kommission muss endlich handeln
Es ist nicht nachzuvollziehen, wie es sein kann, dass ein europäisches Mitgliedsland sich belegbar nicht an die eigenen Gesetze hält und die EU-Kommission sehenden Auges auf eine Katastrophe warten muss, bevor sie aktiv werden kann. Vor allem, nachdem die EU-Kommission selbst zuständig ist, die Mechanismen zu entwickeln, um Mitgliedsstaaten bei Fehlverhalten sanktionieren zu können. Ich fordere die EU-Kommission auf, dieses Problem zu lösen und sich nicht einfach mit schönen Worten hinter der Zuständigkeit der nationalen Regulierungsbehörde zu verstecken, wenn diese nationale Gesetze nicht erfüllen.